
Der Maschinenpark an Geräten für die additive Fertigung wuchs am SKZ, Würzburg, zwar schnell, keines davon blieb aber im Originalzustand. Auch ein selbstgebauter FDM-Drucker steht in der Produktionshalle. (Bildquelle: SKZ)
Die additive Fertigung ist längst darüber hinaus, allein Prototypen herzustellen. Aktuell stehen Funktionsbauteile im Mittelpunkt der Hersteller von Geräten und Werkstoffen für die wachsende Zahl an Verfahren und Verfahrensvarianten. Dabei geht es allerdings nicht allein um Einzelstücke, sonder vermehrt auch um Serienteile – unter Umständen mit individuellen Elementen. Ein solches Beispiel ist der additiv individualisierte Stift von Staedtler. Auch die Luft- und Raumfahrt-Industrie stellt Kleinserienteile vermehrt mithilfe von additiver Fertigung (zumeist Lasersintern oder -schmelzen) her. Viele Beispiele liefert etwa Airbus, das insbesondere Leichtmetallteile additiv herstellt, etwa für den Airbus A350 XWB.
Allerdings sind sich die Experten, abgesehen von 3D-Druckdienstleistern und Unternehmensberatungen, einig, dass die additive Fertigung auf absehbare Zeit den etablierten Verfahren, wie Spritzguss, keine Konkurrenz machen wird. Der Arbeitskreis Additive Manufacturing des VDMA, Frankfurt, beispielsweise liefert diesbezüglich viel Input.
Additive Fertigung macht dem Spritzgießen keine Konkurrenz
Das muss sie aber auch nicht. Trotzdem gibt es durchaus Anwendungsmöglichkeiten der additiven Fertigung in der Großserie. Robotergreifer sind so ein Beispiel. Im Endeffekt geht es also darum, die additive Fertigung sinnvoll mit den etablierten Verfahren zu verknüpfen, um eine konkrete Anwendung zu optimieren. In welcher Dimension diese verbessert wird, unterscheidet sich dabei von Fall zu Fall. Es muss also nicht zwangsläufig um eine Individualisierung der Bauteile gehen. Vielmehr zeigt das Beispiel des Robotergreifers, dass etwa das Bauteilhandling verbessert werden kann, zum Beispiel hinsichtlich Prozesssicherheit. Aber auch Kosten lassen sich damit sparen, indem Entwicklungszeit oder gar Komponenten eingespart werden. Oder die Zykluszeit sinkt, weil die zu bewegenden Massen durch additiv gefertigte Komponenten geringer werden. Oder all das zugleich. Kurz: Man muss sich jedes Einzelprojekt im Detail ansehen und es mehrdimensional analysieren. Dann kann es gegebenenfalls(!) von der additiven Fertigung profitieren.
Marktübersicht 3D-Druck und additive Fertigung
Der Begriff 3D-Drucker umfasst hier alle Geräte und Maschinen, mit denen Teile aufbauend erstellt werden können. Diese Teile können Modelle, Prototypen, Kleinserienteile, Serienteile in unbegrenzter Zahl, Prototypen-Werkzeuge, Werkzeug-Einsätze und andere Produkte sein. Verarbeitbare Materialien sind neben Kunststoffen auch Metalle, Keramik, Holz und andere Werkstoffe. Damit folgt die Definition der Drupa 2016.

Das vom SKZ selbstgebauten FDM-Gerät ist mit allen Schikanen ausgestattet: So lassen sich der Bauraum und die Druckplatte auf 220 °C aufheizen. Außerdem lässt sich der Druckkopf auch während eines laufenden Auftrags wechseln. Zu guter Letzt ist auch eine Materialtrocknung integriert. (Bildquelle: SKZ)
Diese Möglichkeiten zu erforschen und zu erweitern, daran arbeitet unter anderem das Kunststoff-Zentrum, Würzburg (bekannt als SKZ, was ursprünglich für das Süddeutsche Kunststoffzentrum stand; die Abkürzung ist geblieben, der Wirkradius hat sich allerdings über Süddeutschland hinaus erweitert). Seit 2011 beschäftigt sich das SKZ mit additiver Fertigung. Dass für industrielle Anwendungen noch viel Pionierarbeit zu leisten war, merkten Georg Schwalme, Bereichsleiter Spritzgießen/Additive Fertigung beim SKZ, und seine Mitarbeiter schnell. So wuchs der Maschinenpark für die additive Fertigung zwar schnell, kein Gerät blieb aber im Originalzustand: Christian Fischer, Doktorand beim SKZ, erläutert: „Wir haben mit einem klassischen Ultimaker 1 angefangen. Allerdings sind die einzigen Teile, die an dem Gerät noch original sind, die Gehäuseteile aus Holz. Alles andere ist Marke Eigenbau: Die Antriebe sind neu, der Druckkopf ist neu, der Bauraum ist mittlerweile komplett geschlossen und die Filamentzuführung entwickeln wir gerade weiter, damit sie reibungsloser läuft.“ Ein FDM-Gerät haben sie sogar komplett selbst aufgebaut. Hauptverantwortlich hierfür war Manfred Popp. „Er hat die Maschine vom Standfuß bis zum oberen Lüfter konzipiert“, erklärt sein Kollege Fischer. Die Maschine ist mit allen Schikanen ausgestattet, die die Technik hergibt: So lassen sich der Bauraum und die Druckplatte auf bis zu 220 °C heizen. Außerdem lässt sich der Druckkopf schnell und einfach wechseln. Sogar während eines laufenden Auftrags ist das möglich. Zu guter Letzt ist auch eine Materialtrocknung integriert. „Gerade wenn man teilkristalline Kunststoffe verwenden will, ist das wichtig“, erklärt Fischer.
„Wir haben schon Polyamide verarbeitet, die durch den entstehenden Wasserdampf regelrecht aufschäumen, wenn der Schmelzestrang aus der Düse tritt. Und dass dann die Bauteileigenschaften nachher nicht so gut sind, ist eigentlich selbsterklärend. Jedenfalls ist das jedem Kunststofffachmann klar. In der 3D-Druckbranche war das lange Zeit anders. Daher wurde das Thema Materialtrocknung und werkstoffgerechte Verarbeitung absolut vernachlässigt.“ Bei dem selbstgebauten FDM-Gerät spült daher ein Trockenluftgenerator den Materialbehälter und die Zuführungsschläuche des Filaments mit trockener Luft.

Auch solche kleinen Teile lassen sich mittels FDM-Verfahren herstellen. Die Genauigkeit der Maschinen nimmt schnell zu, weshalb man die einzelnen Schichten immer schwerer auf Anhieb findet. (Bildquelle: SKZ)
Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Druckern wachsen
Mit diesen Funktionen versuchen die Wissenschaftler, die Anwendungsmöglichkeiten des FDM-Verfahrens zu erweitern. „Der Wunsch ist eigentlich am Ende des Tages beispielsweise PA 6 zu verarbeiten, weil das eben der Standardwerkstoff der Automobilbauer ist“, erläutert Schwalme. Auch Peek steht auf der Liste. Doch bis sich diese Werkstoffe auch für größere Bauteile prozesssicher verarbeiten lassen, ist es laut Schwalme und Fischer noch ein weiter Weg: „Einen Probekörper drucken wir aus allen verfügbaren Materialien, kein Problem. Sobald das Bauteil aber ein bisschen höher wird, wird es schon spannender. Um die Festigkeiten zu prüfen, muss man dann in z-Richtung ziehen, also quer zu den Schichten.“ Das ist nämlich die Achillesverse des FDM-Verfahrens. Fischer ergänzt: „Allein schon einen Probekörper, etwa einen Zugstab, in z-Richtung aufzubauen, ist wegen der geringen Anhaftungsfläche an der Bauplattform und der fehlenden Steifigkeit bei stehender Position schon ein ernstes Problem, mit dem Sie kämpfen müssen.“ Das führt auch zu einem anderen wichtigen Thema: den Materialeigenschaften. Das ist laut Fischer allerdings schon der falsche Ansatz: „Die erste Frage, auf die man immer stößt, ist: Ja, wie sind denn die Materialeigenschaften? Die Antwort darauf kann aber nur sehr schwammig sein. Die richtige Frage wäre daher eigentlich: Was sind denn die Bauteileigenschaften, die ich bekomme?“ Daher sollte man sich von der nötigen Funktion des Bauteils in Richtung Material und Konstruktion vorantasten. „Und immer daran denken, dass alle drei Bereiche miteinander in Wechselwirkung stehen“, ergänzt Fischer.

„Der Greifer“, erklärt Georg Schwalme, SKZ, „dient zur Entnahme und dem präzisen Positionieren vor eine Wärmebildkamera.“ Er ist innen hohl und lässt sich mittels Druckluft öffnen und schließen, wobei er ohne Druck geschlossen bleibt. Damit ist er nicht nur leicht, sondern verbraucht auch sehr wenig Luft. (Bildquelle: David Löh/Redaktion Plastverarbeiter)
Anwendungsbeispiel: additiv gefertigte Greifer für den Spritzguss
Ein konkretes Beispiel für die gelungene Verknüpfung von additiver Fertigung mit Spritzgießen – also Material, Konstruktion und Funktion – haben Schwalme und sein Team auch in petto: „Diesen Greifer hier hat Bernhard Hennrich erfunden.“ Hennrich ist Gruppenleiter Lehrgänge Spritzgießen/Additive Fertigung beim SKZ. „Der Greifer“, fährt Schwalme fort, „dient zur Entnahme und dem präzisen Positionieren vor eine Wärmebildkamera.“ Er enthält Hohlräume mit dehnbaren Membranen und lässt sich mittels Druckluft öffnen und schließen, wobei er ohne Druck geschlossen bleibt. Damit ist er nicht nur leicht, sondern verbraucht auch nur sehr wenig Luft. Ein weiterer Vorteil ist dessen Biegsamkeit: Wenn der Greifer aus Versehen in das Werkzeug reinfährt, während es schließt, lässt er sich bis zu einem gewissen Grad verbiegen. Falls das nicht reicht, zerbricht allein der Greifer, das Werkzeug bleibt unbeschädigt. Das wiederum verringert die Ausfallzeit der Maschine und gegebenenfalls die Instandsetzungskosten. „Einen solchen Greifer können Sie konventionell nicht fertigen, da aufgrund der Geometrie ein additives Fertigungsverfahren notwendig ist“, betont Schwalme. Der Greifer ist bereits in einer industriellen Anwendung mit Millionen Zyklen im Einsatz.

Beim Herstellen von Werkzeugeinsätzen gibt es, vom Verfahren abgesehen, drei Haupteinflussgrößen, die über die Haltbarkeit des Einsatzes sowie die Qualität der Bauteile entscheiden. Bauteilkonstruktion, Material und Prozessparameter der Spritzgießmaschine. (Bildquelle: David Löh/Redaktion Plastverarbeiter)
Anwendungsbeispiel Werkzeugeinsätze für den Spritzguss
Eine weitere relativ häufige Kombination von additiver Fertigung und Spritzguss sind Werkzeugeinsätze. Dr. Boy ist einer der bekanntesten Akteure in diesem Bereich, Igus ist dort ebenfalls aktiv, um nur zwei Beispiele zu nennen. Alle, auch das SKZ, erreichen nach eigenen Angaben dreistellige Stückzahlen mit einem Formeinsatz. Entscheidend ist allerdings die jeweilige Anwendung. Statt auf das häufig für Werkzeugeinsätze angewandte Polyjet-Verfahren setzt das SKZ auf Stereolithografie (SLA). „Der Vorteil davon ist, dass wir das Material hier nicht durch Düsen drücken müssen und dadurch ein größeres Materialspektrum und auch gefüllte Harze verwenden können“, erklärt Fischer. Durch die höhere Auflösung lassen sich Werkzeugeinsätze mit sehr glatten Oberflächen herstellen. Vom Verfahren abgesehen gibt es allerdings drei Haupteinflussgrößen, die die Haltbarkeit des Einsatzes sowie die Qualität der Bauteile entscheiden. Schwalme erläutert: „Die eine ist die Bauteilkonstruktion, die allerdings unter Umständen weitestgehend fest ist, wenn ich ein bestimmtes Formteil herstellen will. Ein weiterer Faktor ist das Material. Da kann ich mit den Prozessparametern spielen: Wie härte ich das Harz aus, wie härte ich es nach und so weiter. Und zum Dritten kann ich natürlich in den Spritzgießparametern drauf achten, dass man das Werkzeug nicht mit einem extrem hohen Druck anspritzt. Also muss man überlegen, mit welchen Prozessparametern die Kavität sauber gefüllt wird, der Werkzeugeinsatz aber auch ein paar hundert Teile lang durchhält.“ Im Endeffekt geht es also darum, beide Verfahren, die additive Fertigung und das Spritzgießen, zusammenzubringen. Das klappt in manchen Anwendungen schon ganz gut, wie Dr. Boy beispielsweise mit auf der Fakuma hergestellten Karabinerhaken beweist. Doch die Forschung und Entwicklung geht noch weiter, um das Anwendungsspektrum dieser Verfahrenskombination sukzessive zu erweitern. Wie immer kommt es dabei auf viele Faktoren zugleich an, nicht zuletzt auf die Maschinentechnik. Fischer bestätigt: „Die Technik entwickelt sich gerade an vielen Stellen weiter und quasi täglich geht es einen Schritt vorwärts.“ Dass daher ein großes Prozessverständnis nötig ist und gegebenenfalls auch eine gesonderte Ausbildung sinnvoll sein kann, erläutern Schwalme und Fischer in einem Interview.
Der Beitrag Die additive Fertigung ist eine Ergänzung, kein Ersatz erschien zuerst auf Plastverarbeiter.de.